Neulich als ich nicht in See stach: Die Seebühnenregatta in Mannheim

by - August 12, 2014


Dasselbe Team, das Konzertbesucher nun bereits seit vier Jahren mit dem an Pferdemetaphern reichen Maifeld Derby versorgt, hat diesen Sommer zu einer anderen reichhaltigen Bildsprache gegriffen, um ein kleines, sommerliches Eintagesfestival in einem Mannheimer Park zu präsentieren: Die Seebühnenregatta. Lange zögerten wir, ob uns das Event die doch recht langwierige Anreise wert sein würde, denn mit Spaceman Spiff, Enno Bunger und We Invented Paris spielten gleich drei absolut sehenswerte Acts, die ich aber entweder dieses Jahr bereits gesehen hatte oder 2013 gleich zweimal (gut, für meinen Begleiter war das keinerlei Hinderungsgrund).

Letzten Endes entschlossen wir uns dann am Tag selbst doch noch für die Reise nach Mannheim, das allerdings bereits in dem Wissen, dass der Open Air-Charakter des Festivals leiden würde, denn es war Regen gemeldet und die Hauptacts würden in einer Halle spielen.


Bei unserem Eintreffen waren die Welt und das Wetter aber noch in Ordnung. Der Veranstaltungsort Luisenpark entpuppte sich als weitläufiges Gelände, auf dem man nicht nur den Park und dessen Pflanzenwelt genießen und sich auf großen Wiesen ausruhen kann, es gibt auch Käfige und Volieren mit Eulen, Schildkröten, Pinguinen, Flamingos, einem Nasenbär und vielem mehr. Über allem thronen nicht weniger als drei Storchennester, aktuell allesamt mit Pärchen dieser Vogelart besetzt, zusätzlich gibt es noch ein paar Single-Störche.

Die Seebühne, nach der die Regatta benannt wurde, und die ursprünglich für die Bundesgartenschau 1975 erbaut wurde, entpuppte sich ebenfalls als wunderbar malerisch, zwischen Zuschauern und Bühne befindet sich etwas Wasser, während man hinter den Künstlern einen großen See samt vorbei ziehenden Gondolettas sehen kann. Bei unserer Ankunft spielten bereits L'Aupaire, aber viel von ihrem Set haben wir sicher nicht verpasst. Die drei jungen Männer boten Folk-Pop irgendwo zwischen Bob Dylan und Mumford & Sons ohne Banjo.


Obwohl mich die Musik nicht wirklich fesseln konnte - Folk ist einfach nicht mein Ding - war das Ambiente der Freiluftbühne ganz wunderbar, allerdings zeigte ein bald einsetzender, zunächst sehr leichter Regen, dass die Entscheidung, spätere Musiker drinnen auftreten zu lassen, richtig gewesen war.

Nach L'Aupaire trat, quasi als "Pausenunterhaltung" eine junge Mannheimer Sängerin namens Inah auf. Nach drei ihrer getragenen Gitarrensongs - sie hatte angekündigt, viele unterschiedliche Lieder zu spielen, was sich zumindest im von uns verfolgten Teil nicht bestätigte - mussten wir aber, dachten wir zumindest, in Richtung der Baumhain-Halle, in der bald das Set von Spaceman Spiff beginnen sollte. Allerdings hatte sich der Zeitplan ein wenig verschoben, so dass zunächst Warten angesagt war.


Übrigens hatte am Einlass der Seebühne niemand unsere am Parkeingang erworbenen Festivalbändchen kontrolliert, weshalb man im Publikum neben den üblichen Musikfreunden auch einige Zaungäste in sehr fortgeschrittenem Alter hatte sehen können - sicherlich Senioren mit Dauerkarten für den Park, die einfach der Musik gefolgt waren und nun zufrieden zuhörten. Und auch in die Halle folgte uns ein älterer Herr ohne Bändchen - ich weiß nicht, ob er später vielleicht noch aussortiert wurde. Insgesamt gefiel mir diese ungeplante Vereinigung der Generationen aber sehr gut.

Spaceman Spiff trat dieses Mal nicht allein mit seiner Gitarre auf, sondern hatte neben seinem "Personal" Jonny König (den Besucher des Maifeld Derbys zumindest als vom Sänger angesprochenes Publikumsmitglied kannten) sondern auch eine Cellistin dabei. Den Tischtennisschläger-Talisman, der sich doch bereits beim Maifeld Derby als komplett nutzlos erwiesen hatte, klebt er immer noch an seinen Mikrophonständer.


Was den Konzertgenuss zumindest am Anfang doch recht stark trübte, war die Halle, die nicht nur vom Ambiente her sehr altbacken Mehrzweckhallen-mäßig wirkte und uns die schöne Seebühne schmerzlich vermissen ließ, auch der Sound klang merkwürdig flach - und das fiel selbst mir auf, die so gut wie nie die Beschallungskritiken anderer nachvollziehen kann. Mit der Zeit muss der Ton aber besser geworden sein, oder aber, ich hatte mich dran gewöhnt. Nicht gewöhnen konnte ich mich dagegen an die "Lichtshow", die es darauf anzulegen schien, die Zuschauer zum Erblinden zu bringen - stellenweise konnte ich gar nicht zur Bühne schauen!

Nur fünf der dargebotenen zehn Lieder hatte ich bereits beim Maifeld-Konzert gehört, der Rest war mir neu. Hinzu kam die neue Instrumentierung, denn der Schlagzeuger griff bei zwei Liedern ("Ab heute immer jetzt" und "Hamburg") zum Akkordeon bzw. Glockenspiel, während die Cellistin, sowieso eine Neuheit und anscheinend bei ihrem allerersten größeren Bühnenauftritt, bei "Teesatz" auch mitsang.


Wie bei meiner ersten Begegnung fand ich auch dieses Mal die Authentizität des Künstlers geradezu auffällig, wie auch seine scheinbare Überraschtheit, wenn jemand (oder gar einem ganzen Publikum) gefällt, was er macht. Wegen der stark veränderten Setliste und der neuen Instrumentierung hat sich in diesem Fall ein zweiter Konzertbesuch definitiv gelohnt.

Setliste:

Vorwärts ist keine Richtung
Ab heute immer jetzt
Milchglas
Photonenkanonen
Egal
Hamburg
Schnee
Teesatz
Mind the gap
Straßen (wo wir hingehen brauchen wir keine Straßen)

Aber es sollte noch weiter gehen, denn als später das Set von Enno Bunger vorbei war, hörte man im Anschluss draußen im Foyer etwas, das wiederum stark an Spaceman Spiff erinnerte ... und auch Spaceman Spiff war. Nun wieder mit der Gitarren-Minimalausstattung ließ es sich der Sänger, während mittlerweile das angekündigte Gewitter aufs nicht völlig wasserdichte Glasdach prasselte, nicht nehmen, noch ein paar weitere Lieder zu singen. Dass er dieses Mal die etwas lieblose "Bühne" im Hallenfoyer mit einem Mülleimer teilte, irritierte ihn kurzzeitig, aber er schien sich besser zu fühlen, nachdem er erfolgreich aus dem Publikum etwas zum Wegwerfen eingefordert hatte.


Zum Foyer an sich könnte man neben der mangelnden Wasserdichtheit auch sonst noch einiges Kritisches sagen, denn es war ein Durchgangsbereich und generell sehr laut, dennoch traten hier auch weitere "Pausenkünstler" auf, nachdem der Regen draußen eingesetzt hatte. Sicherlich gab es einfach keine weitere Alternative, die nun schon einmal gebuchten Künstler - Spaceman Spiff ersetzte hier wohl spontan eine Band, die offenbar doch nicht kommen konnte - spielen zu lassen.

Setliste:

Yellow brick road
Hier und der Wahnsinn
Wände
Der Tag an dem ich nicht verrückt wurde
100 000 Kilometer

Aber kommen wir zu Enno Bunger. Damals beim heute schon mehrfach erwähnten Maifeld-Auftritt hatte ich mich durch Spaceman Spiff sehr an Enno Bunger erinnert gefühlt, obwohl der eine zur Gitarre und der andere zum Klavier singt. Als ich gelesen hatte, dass beide Sänger hintereinander spielen würden, war ich gespannt gewesen und hatte mich - nicht ganz ernsthaft - gefragt, ob die beiden sich wohl kennen oder ob sie bei ihrer Erstbegegnung begeistert voneinander sein würden. Oder aber, ob es eine Schlägerei geben würde, bei der sich beide als Nachahmer beschimpfen.


Meine Neugier wurde gestillt, denn als bereits alles für den Enno Bunger-Auftritt aufgebaut war, sprang mit einem Mal Spaceman Spiff nochmals auf die Bühne und kündigte begeistert Enno Bunger an - und der umarmte ihn zum Dank und beteuerte im Gegenzug seine Begeisterung von Spaceman Spiff. Schön, dann wäre das ja geklärt!

Kurz vorher hatte ich bereits einen "alten Bekannten" gesehen, denn am Aufbau für Enno Bunger waren erstaunlich viele Menschen beteiligt gewesen, darunter auch Onno, den ich als Bungers Begleitmusiker in der Offenbacher Weinstube kannte. Als das Konzert schließlich begann und Bunger gemeinsam mit einer ganzen Band die Bühne bestieg und "Am Ende des Tunnels", eines von drei neuen Liedern, vortrug, war von Onno aber zunächst nichts zu sehen.


Und während uns Enno noch mit der Aussage begrüßt hatte, dass er Wut möge, sie sei das Viagra für den ausgestreckten Mittelfinger, kam es für Song Nummer drei zu einer überraschenden Stiländerung: Onno erschien auf der Bühne und übernahm das Keyboard, hinter dem Enno Bunger nun mit dem Mikrophon hervortrat und einen neuen Song vortrug, der laut Bungers Aussage noch nicht einmal einen Titel hat. Die neue Rolle als gut gelaunter Entertainer am Bühnenrand war ihm sichtlich ungewohnt und mein Freund meinte "Man merkt, dass er sich immer wieder umsieht und fragt, was die Leute darüber denken, dass er plötzlich Coldplay ist!" Nach dem Song erklärte Enno Bunger, er habe einmal ein Lied über gute Laune schreiben wollen. "Aber dafür seid ihr ja nicht hier!"


Also ging es weiter mit den Trennungsliedern der aktuellen Platte "Wir sind vorbei". Die in der Baumhain-Halle dargebotenen Songversionen waren insgesamt häufig länger als gewohnt ("Roter Faden", "Herzschlag") und hatten ausgedehnte Instrumentalteile. Sonst wurde auch wenig gesagt, denn, das erfuhren wir nach "Herzschlag", die Begleitband sei zu gut und auch zu teuer, um sie nicht ausgiebig zu nutzen. Als zusätzliche Musikerin war die Keyboarderin der Band Joco dabei, deren Sängerin jubelnd im Publikum saß beziehungsweise beim dritten Song mitsang.

Was mich allerdings überraschte, war die Aussage, "Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung" sei auf dem Album ein Duett mit Festival-Headliner Alin Coen, diese sei aber gerade zu müde, um ihren Part zu singen. Da muss ich noch einmal nachhören. Nach "Blockaden" und einem weiteren neuen Song folgte zuletzt "Regen", mit dem Enno möglicherweise das nun draußen beginnende Unwetter herbei gesungen hat.


Ach ja, und nachdem ich mich schon fast damit abgefunden hatte, dass das Konzert ganz ohne Kalauer ablief, kam doch noch einer: "Ich bin dann anschließend am Merchandise, da gibt's auch Jutebeutel, falls das in Euer BEUTELschema passt." Ging doch, Enno!

Setliste:

Am Ende des Tunnels
Die Flucht
(Neu)
Leeres Boot
Roter Faden
Herzschlag
Ich möchte noch bleiben, die Nacht ist noch jung
Blockaden
Scheitern
Regen


Selbige Beutel, also die seiner eigenen Band, pries der We Invented Paris-Sänger Flavian beim anschließenden Auftritt ebenfalls an, allerdings sprach er als Schweizer von "Hipstertäschli". Auch sehr schön.

Die Gruppe hatten wir erst im April in Wiesbaden gesehen, weshalb auch sofort auffiel, dass dieses Mal ein anderer Gitarrist mit von der Partie war, Bruce Klöti war heute nicht zu sehen, stattdessen war Matthias Rückert dabei. Soweit ich Wikipedia verstehe, hat die Band, die in Wirklichkeit ein Künstlerkollektiv ist, aber ohnehin ein wechselndes Lineup, also war das wahrscheinlich völlig normal.


Begrüßt wurden wir zunächst auf Schweizerdeutsch, in verständlicherer Aussprache teilte uns Flavian dann mit, es handele sich zwar um ein bestuhltes Konzert, es seit aber durchaus auch erlaubt, von den Stühlen aufzustehen und zu tanzen. Das erfolgte von Anfang an, wenn auch zunächst eher vereinzelt. Ausgerechnet vor dem in meinen Augen gar nicht sonderlich tanzgeeigneten "Philosopher" folgte dann nochmals die Aufforderung, zu diesem Lied aber nun wirklich zu tanzen, was dann auch von allen umgesetzt wurde.


Viele "Konzertabschnitte" kannte ich bereits aus Wiesbaden, etwa den Konzertauftakt, bei dem Gitarrist und Bassist auf Holzkisten trommelten, Flavians Geschichte über die früheren Wohnzimmerkonzerte, Luftballons (die diesmal allerdings, passend zur Seebühnenregatta, Wasserbälle waren), die das Publikum während "Bubbletrees" in der Luft halten sollte (was sich ein weiteres Mal als ziemlich stressig erwies und den Spaß am Lied ein wenig nahm) sowie das von Flavian allein im Publikum und zum Akkordeon vorgetragene "Requiem".

Trotz der Wiederholungen ein schönes Konzert mit einer offenbar sehr motivierten Band, und als Matthias beim Schluss-Song "More" plötzlich hinter der Bühne eine riesiges Behältnis holte, um darauf herum zu hüpfen und wie wild an diversen Effektgeräten zu drehen, hatte ich auch etwas mir Neues von We Invented Paris gesehen.


Setliste:

Sleeptalker
Auguste Piccard
A View That Almost Kills
Philosopher
Polar bears
Bubbletrees
Bohème
Requiem Mitte
Mont Blanc
Everyone knows
Farmer
Iceberg
Nothing to say
More


Alin Coen & Band mussten wir angesichts einer bevorstehenden langen Rückfahrt ausfallen lassen, nach einem kurzen Besuch bei den Pinguinen verließen wir den Park und kurz darauf auch Mannheim - nicht, ohne anhand zahlreicher in der Zwischenzeit sturmbedingt herabgefallener Äste die Entscheidung, nur zwei Künstler draußen spielen zu lassen, gut zu heißen. Auch ohne den Headliner gesehen zu haben, konnten wir hinsichtlich der ersten Seebühnenregatta ein positives Fazit ziehen: Ein wirklich sehr angenehmer Festivalort, dem zusätzlich zum guten Lineup und dem angenehmen Preis-Leistungs-Verhältnis (ein Ticket kostete an der Tageskasse 25 Euro) im kommenden Jahr auch besseres Wetter zu wünschen wäre!


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