Wohngemeinschaft statt Wohnzimmer: The Bronze Medal in der Kölner Wohngemeinschaft

by - April 04, 2015


Ist schon jemand aufgefallen, dass ich letztes Jahr viermal über Wohnzimmerkonzerte bei mir Zuhause bloggte und zu diesem Thema seitdem Schweigen herrscht? Nun, zum einen sind wir tatsächlich ziemlich wählerisch hinsichtlich der Frage, wer in unser Wohnzimmer darf, zweitens gestaltet sich das Booking, wenn wir es denn einmal versuchen, mittlerweile nicht mehr ganz so unkompliziert, wie wir es bislang gewöhnt waren.

Ein Beispiel in diesem Kontext sind The Bronze Medal, eine recht junge Band aus Großbritannien, die mir mein Freund vor einigen Monaten als potenzielle Wohnzimmerkandidaten ans Herz legte. Die Musik erinnerte uns beide stark an The National, aber nicht als doofe Kopie, sondern als Musik in einem Stil, den wir kannten und mochten. Zunächst schluckte ich dennoch, denn die Band ist ein Quintett. Abgesehen von der Frage, wie man eine richtige Band in unserem Wohnzimmer positionieren und dann im Optimalfall noch Publikum unterbringen sollte, wo würden die fünf denn nur schlafen? Aber anfragen konnte man ja, und der Booker reagierte sogar recht interessiert.


Im Tourplan war allerdings nicht mehr der von uns angefragte Lückentermin zwischen Darmstadt und Münster sondern nur noch die Ostertage frei, weshalb wir eine Schnellumfrage beim potenziellen Publikum bezüglich Osterplänen starteten, letztlich zusagten... und dann doch eine Absage erhielten, weil man ein Engagement für mehrere Abende gefunden hatte. Professionelle Wohnzimmerkonzertanbieter haben uns den Termin weggeschnappt. Skandal!

Nachdem der Plan, die Band im eigenen Zuhause zu sehen, also gescheitert war, reisten wir am Gründonnerstag stattdessen nach Köln, wo die Wohngemeinschaft mit ihrer wohnzimmerartigen Bühne (auf der wir bereits Pelle Carlberg und die Jordan Klassen-Weihnachtstour gesehen hatten) zumindest eine ähnlich private Atmosphäre versprach. Überraschenderweise - die Band schien uns doch sehr unbekannt zu sein - hatten sich im Lokal zahlreiche Mit-Interessenten eingefunden, die von der Menge her unser Wohnzimmer sicherlich gesprengt hätten. Das Konzert war ausverkauft. Besonders interessant war ein junger Mann, der vor dem Konzert durchgehend via Videochat auf seinem Handy mit seiner Freundin sprach und dann selbiges am Mischpult positionierte, damit sie auch das komplette Konzert verfolgen konnte. Ob man für so etwas doppelten Eintritt zahlen sollte?


Voll wurde es auch auf der Bühne, als die jungen Männer von The Bronze Medal, die sogar zu sechst unterwegs waren, eintraten. Mit all ihren Instrumenten (Schlagzeug, mehrere Keyboards, Gitarren, Bass und diverser Kleinkram wie eine Melodika) konnten sie sich nur recht vorsichtig bewegen, sonst wäre etwas umgefallen. Los ging es mit "Room and Wine" vom Debütalbum "Darlings". Auf Platte hatte ich nicht verstanden, dass The Bronze Medal zwei Sänger hat, wobei Chris Hillier in deutlich mehr Liedern zu Wort kommt als Robin Southwell.

Bei einem Lied wurde das Publikum gebeten, eine kurze Passage einzuüben und dann mitzusingen, was dann recht leise erfolgte. Gelobt wurden wir dennoch und sogar gebeten, zu erwägen, am nächsten Abend auch das Konzert in Zürich zu besuchen. An diesem Tag war die Band aus Berlin angereist, was offenbar mit Stauproblemen einher gegangen war, denn man erklärte, man sei noch vor einer Stunde im Bus gewesen. Das erklärte auch den nicht gerade als pünktlich zu bezeichnenden Konzertbeginn, denn zur Einlasszeit hatte die Band erst mit dem Soundcheck begonnen.


Chris legte außerdem Wert auf die Feststellung, er sei nicht traurig - das hatte ihm wohl eine Merchandise-Stand-Besucherin vor einigen Tagen unterstellt. Er sei aber bloß krank. Die Bandkollegen hätten ihm aber als Reaktion auf die Anmerkung der Dame in seinem Gitarrenkoffer und an etlichen anderen Orten kleine Zettel mit der Aufschrift "Don't be sad!" hinterlassen - einen von ihnen bekamen wir sogar gezeigt.

Nachdem keine sichtbare Setliste auslag, versuchte ich, die Songs anhand von mitgeschriebenen Textzeilen festzuhalten. Im allgemeinen klappt das ganz gut - hinterher hört man sich das Album noch einmal an und ermittelt die Songtitel, insbesondere bei einer Band mit nur einem Album sollte das kein großes Problem darstellen. Sollte, denn irgendwie scheinen The Bronze Medal einige neue Lieder gespielt zu haben - oder aber, ich habe einfach Texte verstanden, die so nicht gesungen wurden?* Nach den ersten zwei Liedern folgte die erste Single "Milk", nach der die beiden Sänger abwechselnd versuchten, das deutsche Wort "Milch" korrekt auszusprechen. Einer hatte sogar den ganzen Satz "Milch macht deine Zähne stärker" (eine übersetzte Zeile des Refrains) gelernt. Sehr schnell und überraschend kam die Ansage, dass der nächste Song schon der letzte sei.


Wer dachte, dass die Band nach nur 8 gespielten Songs aufgrund des lauten Applauses noch einmal auf die Bühne kommen würde, der hatte sich getäuscht. Lediglich Chris trug allein zur Gitarre als Zugabe noch "Upward Over The Mountain" von Iron and Wine zu hören, wobei er sich Robin dennoch als Verstärkung mitgebracht hatte.

Insgesamt ein schönes Konzert einer vielversprechenden Band, an dem es nur zu bemängeln gibt, dass es (möglicherweise wegen der verspäteten Ankunft) so kurz war. Mein Freund hätte auch gerne die beiden rockigeren Titel vom Album, "Tunnel" und "Walls" gehört, diese wurden aber vermutlich wegen der ruhigen Atmosphäre nicht gespielt. Vielleicht wurden sie ja auch nur für einen zukünftigen Termin in unserem Wohnzimmer aufgespart...


Setliste:

Room and Wine
High Fever
Milk
Easy
Largo
From The Stairs
No Hospitals
Darlings

Upward Over The Mountain

* Die Band hat mir die fehlenden Songtitel mittlerweile freundlicherweise mitgeteilt.

You May Also Like

0 comments